„Vornehmste Aufgabe der Linken ist die Kritik“

In der edition Rubrin erschien 2015 der erste Band der Werkausgabe: Rudolf Breitscheid, Vornehmste Aufgabe der Linken ist die Kritik, Publizistik 1908–1912.

Rudolf Breitscheid 1926
Rudolf Breitscheid 1926 (ullstein bild / Süddeutsche Zeitung / Scherl Verlag)

Der spätere SPD-Politiker Rudolf Breitscheid war von 1908 bis 1912 einer der scharfsinnigsten Publizisten der bürgerlichen Linken. Er gründete die Demokratische Vereinigung, um die vom Bülow-Block enttäuschten Liberalen zu sammeln. Breitscheid kämpfte auch als ein temperamentvoller Journalist gegen Chauvinismus und Militarismus, für den Fortschritt und Frieden. Diese Auswahl von Essays, Reportagen und Feuilletons stellt einen herausragenden „Gegenspieler“ im Kaiserreich vor.

„Ein junger Liberaler über das alte liberale Elend. Brillante Texte der Jahre 1908 bis 1912, mit zarten Winken für heute.“ (Benedikt Erenz, DIE ZEIT)

cover rubrin Breitscheid

Rudolf Breitscheid: Vornehmste Aufgabe der Linken ist die Kritik
Publizistik 1908–1912
Herausgegeben von Sven Crefeld
Vorwort von Peter Pistorius
edition Rubrin, Berlin 2015
348 Seiten, 18 Euro
ISBN 978-3-00-050066-4

 

 

Ludwig Elm (Jena) schreibt in „Arbeit Bewegung Geschichte – Zeitschrift für historische Studien“ über diesen Band:

ABG-rubrin„Mit der Veröffentlichung von 55 Texten aus verschiedenen liberalen bis demokratischen Zeitungen und Zeitschriften zeichnet er authentisch und lebendig den Weg nach, auf dem sich Breitscheid aus dem nationalistischen und antisozialistischen Niedergang der deutschen Bourgeoisie löste und seinen Platz in der SPD fand. […] Die ausgewählte Publizistik Breitscheids bildet die damaligen gesellschaftspolitischen und ideologischen Prozesse und Widersprüche ab. […] Die Aufsätze und Reden umfassen ein weites thematisches Spektrum und belegen die ideell-politische Entwicklung zum bürgerlichen Demokraten und schließlich zum Sozialdemokraten. […] Den ausgewählten Texten auf über 200 Seiten […] folgen informative und über den vorgelegten Stoff hinausweisende Belege und Hinweise. Die Dokumentation bereichert die Einblicke in Triebkräfte und Erscheinungsformen des Niedergangs des deutschen Liberalismus sowie den Weg Rudolf Breitscheids zu einem führenden Politiker der SPD in der Weimarer Republik. […] Die kritischen Analysen Rudolf Breitscheids tragen dazu bei, das Bild der Auszehrung der Reste republikanischen Geistes bei der großen Mehrheit des deutschen Bürgertums zu vervollständigen.“

In: Arbeit Bewegung Geschichte – Zeitschrift für historische Studien, Jg. 15, Nr. 2016/III, Metropol Verlag, Berlin, S. 171-173.

Wer war Rudolf Breitscheid?

Einer der wichtigsten Sozialdemokraten der 20er- und 30er-Jahre ist weitgehend vergessen. Hier ein Update zu seiner Biografie.

Rudolf Breitscheid wurde am 2. November 1874 in Köln geboren. Er studierte Nationalökonomie in Marburg und promovierte 1898. Breitscheid wurde Journalist und zog 1902 von Hannover nach Berlin. Er heiratete 1901 Tony Drevermann aus Battenberg, 1903 wurde ihr einziges Kind Gerhard geboren.

Von 1902 bis 1906 war Breitscheid für den „Hamburgischen Correspondenten“ tätig. Von 1905 bis Ende 1909 wirkte er als Sekretär bzw. Geschäftsführer des Handelsvertragsvereins. Er war seit 1903 Mitglied der Freisinnigen Vereinigung. 1908 gründete Breitscheid die Demokratische Vereinigung, deren Vorsitzender er bis Anfang 1912 war. Nach den Reichstagswahlen trat Breitscheid zur SPD über.

Als Gegner der Burgfriedenspolitik war er 1917 Gründungsmitglied der USPD, die ihn 1918 als Innenminister in die preußische Revolutionsregierung entsandte. Sein erstes Mandat im Reichstag errang Breitscheid 1920. Zwei Jahre später wechselte er zur SPD-Fraktion, deren außenpolitischer Sprecher er wurde. 1926 berief man ihn in die deutsche Delegation beim Völkerbund in Genf. Ab 1928 war Breitscheid einer der drei Fraktionsvorsitzenden der SPD im Reichstag.

Von den Nationalsozialisten massiv bedroht, flüchtete er mit seiner Frau am 31. März 1933 in die Schweiz. Einige Monate später siedelten sie nach Paris über, wo Breitscheid bis zum Einmarsch der Wehrmacht 1940 als Journalist arbeitete und an den Bemühungen um eine antifaschistische Volksfront beteiligt war.

Das Vichy-Regime lieferte ihn 1941 in Arles an die Deutschen aus. Breitscheid kam ins Berliner Gestapo-Gefängnis, 1942 ins KZ Sachsenhausen und 1943 nach Buchenwald, wo er als „Schutzhäftling“ mit seiner Frau in einer Isolierbaracke wohnte. Am 24. August 1944 starb Rudolf Breitscheid bei einem Luftangriff.

Tony Breitscheid überlebte und zog nach Kriegsende zu ihrem Sohn nach Dänemark. Die Stadt Berlin legte ein Ehrengrab für Rudolf Breitscheid an und benannte 1947 den Platz neben der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche nach ihm.